Stadtentwicklung

 

Auch hinsichtlich einer sinnvollen Stadtentwicklung ist gegen das Baugebiet "Im Western / Södeweg" einiges einzuwenden.

 

Die Ausweisung eines großen Wohngebietes am äußersten Rand von Wolfenbüttel trägt nicht dazu bei, die Situation in der Innenstadt hinsichtlich Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie zu verbessern. Es ist zu befürchten, dass sich die hier neu angesiedelten Einwohner eher nach Braunschweig, Wolfsburg oder Goslar orientieren und die Entwicklung Wolfenbüttels zu einer „Schlafstadt“ noch beschleunigt wird.

 

Schon aufgrund der stadtplanerischen Entscheidung in der Vergangenheit, an der Schweigerstraße ein großes Gewerbegebiet mit sämtlichen Angeboten des Alltags zu errichten, ist im Gebiet der östlichen Siedlung das Angebot des Einzelhandels deutlich zurückgegangen, so dass im Bereich der Schweigerstraße zu Haupteinkaufszeiten immer wieder Verkehrschaos auftritt. Es ist davon auszugehen, dass auch zukünftige Anwohner von "Östlich Fallsteinweg" und "Södeweg" ihren Tagesbedarf ausschließlich über die Schweigerstraße decken würden - es sei denn, an der Salzdahlumer Straße würden entsprechende Angebote geschaffen.

 

Von der bisher verfolgten (und bundespolitisch geforderten) wohnungswirtschaftlichen Linie "Innenentwicklung vor Bauen an der Peripherie" wird nach Aussagen der Stadt deshalb abgewichen, weil Eile geboten sei, um den Bedarf an Wohnraum kurzfristig zu decken. Eine Bevölkerungsprognose, die die Stadt 2015 in Auftrag gab, ergibt für Wolfenbüttel allerdings die Einschätzung eines aktuell "weitgehend ausgeglichenen Wohnungsmarkts": "Bevölkerungs- und Haushaltsprognose 2030 und Abschätzung des zukünftigen Wohnungsbedarfs" (von Prof. Dr. Ruth Rohr-Zänker am 24. Februar 2015 im Ausschuss für Bau, Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt Wolfenbüttel vorgestellt; Vortragsfolien im Ratsinformationssystem)

 

Zwar wird erwartet, dass der Wohnungsbedarf kurz- bis mittelfristig weiter anwächst, längerfristig jedoch vermutlich kaum ein weiterer Bedarf besteht. Einen wachsenden qualitativen Bedarf wird es allerdings an Wohnungen für kleine Haushalte und an alternsgerechten Wohnungen geben; zudem werden zentrale Wohnlagen zunehmend attraktiver. Das wirft die Frage auf: Wer wird dann in Zukunft − zumal bei fortgesetzter Alterung der Bevölkerung − in all diesen Einfamilienhäusern am Stadtrand wohnen (wollen)?

 

Eine andere Argumentation der Stadt bezieht sich auf das Gewinnen neuer Einwohner, um prognostizierte Einwohnerverluste auszugleichen. Mit den gerade ausgewiesenen bzw. schon vermarkteten Baugebieten Über dem Okertal, Salzdahlumer Straße, Östlich Fallsteinweg und den geplanten Mehrfamilienhäusern Am Rodeland und an der Ottmerstraße dürften diese Verluste jedoch bereits ausgeglichen sein.

 

Wenn man sich Wolfenbüttel als Stadt einmal ansieht, dann erkennt man außerdem, dass der Schwerpunkt der Bevölkerung schon jetzt nach Osten verlagert ist, was sich durch den enormen Zuwachs mit dem Baugebiet noch einmal verstärken würde. Und gerade im Osten ist die verkehrstechnische Anbindung eher schlecht, da die Autobahn relativ fern liegt.

 

Grundsätzlich darf angezweifelt werden, ob die Dimension des Vorhabens wirklich der wohnungswirtschaftlichen Situation und der zu erwartenden Entwicklung angemessen ist. Die immer wieder beschworene Eile steht im Vordergrund und hat offenbar Priorität vor sorgfältiger Abwägung von Konsequenzen und Entwicklung von Alternativen.

Zugegebenermaßen ist die Nachfrage nach Baugrundstücken aktuell groß, aber muss diese Nachfrage auf Kosten einer nachhaltigen Stadtentwicklung bedient werden? Es besteht die Gefahr, mit der Befriedigung der aktuell starken Baulandnachfrage längerfristig ein Überangebot an Wohnungen und Leerstand im Altbau zu schaffen.

 

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